Im Seminarraum raunt es
indolent.
Zwei Mädchen tuscheln sich die
Köpfe rot.
Dem Grund dafür, Adonis,
brennt der Sod.
Vorn krächzt ganz ohne Kopf
ein Referent.
Der Zeitungsleser raschelt
konsequent.
Und jemand schläft und
schnarcht wie ein Despot.
Ein andrer beißt beherzt ins
Käsebrot.
Adonis pupst – und lächelt
sehr dezent.
Dann schließt der Referent.
Die Meute schmunzelt.
Ein Püppchen geht charmant und
schön zur Tür;
indes die Weiblichkeit die
Stirne runzelt.
Vom
Dach gurrt eine Taube sehr emphatisch.
Nur
der Dozent erfasst das mit Gebühr.
Die Zeit ist rum. Er grinst
fast akrobatisch.
Auch Kassenfrauen mimen mir
Helenen,
weil Eleganz mit Kühle mich
entzückt.
Ihr Anblick hat mich schon
seit je entrückt,
sie wirken ähnlich
Himmelsphänomenen.
Ich schätze sie! Vor Gönnern
und Mäzenen.
Im Traum hab ich mit Blüten
sie geschmückt.
Die Kassenfrau hat mich schon
oft beglückt.
Sie ist ein Weib, nach dem
sich Götter sehnen.
Und wie sie zupackt! Resolut!
Gesund!
Kein Lächeln irritiert, sie
tippt nur fleißig.
Ein fetter Amor schießt mich
grinsend wund.
Mein Herz ist perforiert, die
Hände schweißig
Was gäbe ich für ihren
Marmormund!
Sie spricht mich an! Sie
sagt!: ... 12,36.
Nicht lange und mein Name
zeugte Staunen.
Er könnte morgen in der
Zeitung sein.
Ich tauchte einfach tiefer in
den Wein
und lauschte, was die Musen zu
mir raunen.
Ich würde Unsagbares
ausposaunen,
Geheimes opfern auf dem
Opferstein
der Leserschaft, und dann, im
nachhinein,
bekäme ich die Fanpost an die
Daunen ...
Ich trüge auch Apollon seine
Leier,
wenn ich nicht wüsste, dass
der Wecker schrillt –
da hilft auch nicht der Ruf
der Biographen.
Und nicht mal der von
Metro-Goldwyn-Mayer.
Die Möglichkeit wird müde,
still und mild.
Bis morgen! Es ist spät. Ich
gehe schlafen.
Frau K. will f., sie zeigt mir
ihre Beine.
Und nicht nur das: Sie wackelt
mit dem Sterz!
Sind wir zu zweit, zeigt sie
mir sehr viel Herz,
erzählt mir auch, wie
bitterlich sie weine.
Denn nachts drückt sie die
Kissen ganz alleine.
Sie sagt, das sei ein tiefer,
großer Schmerz.
Und hitzig öffnet sie den
falschen Nerz
und wirbt mit ihrer Wollust um
die meine.
Frau K. ist fix in solchen
Augenblicken.
Doch nie lädt sie zu sich –
und das spricht Bände.
Sie kann nicht stricken, weder
Schals noch Socken.
An ihrer Kochkunst kann man
leicht ersticken.
Und wen erquicken schon zwei
linke Hände!
Frau K. will f., da bleibt
kein Auge trocken.
für M. Schmarander mit besten Grüßen an Nikolaus Lenau
Das Hemd ist frisch, die Ärmel
voll mit Assen.
Die Zunge schlank, es jauchzen
kess die Verben.
Von deinem Frohsinn wirst du
viel vererben,
nur volle Flaschen willst du
hinterlassen.
Und selbst dem Schicksal
schneidest du Grimassen.
Und Gegnern weißt du ihre Haut
zu gerben.
Und du schnitzt in dein Lieblingsthema
Kerben.
Und wenn du böse bist, kannst
du nicht hassen.
Das Essen scheint dir äußerst
leicht verdaulich.
Und niemand kommt zu spät, es
drückt kein Schuh.
Sogar die Zeitung wirkt auf
dich erbaulich.
Auch Venus schenkt dir heute
ihr Vertrauen,
sie flüstert dir ein
Glücksgeheimnis zu:
Die ganze Welt ist voll mit
schönen Frauen!
Du
sollst Vater, Chef und Mutter ehren.
Du
sollst öfter dir die Hände waschen.
Du
sollst niemals fremde Röcke haschen.
Du
sollst Wechsler aus dem Tempel kehren.
Du
sollst Hab und Glück und Futter mehren.
Du
sollst liebevoll dein Weib vernaschen.
Du
sollst Liebende nicht überraschen.
Du
sollst tapfer sein, dich nie beschweren.
Du
sollst wollen, was die andern hoffen.
Du
sollst was nur du willst niemals wollen.
Du
sollst dreinschau’n, wenn es passt, betroffen.
Du
sollst dich, wo du nicht sein sollst, trollen.
Du
sollst höflich bleiben, selbst besoffen.
Du
sollst eins vor allem – du sollst sollen.
Daniel Goral AMTSANTRITT (spätabends)
Ich
schwöre treu und redlich euch zu dienen.
Ich
schwöre nie das Dach uns anzuzünden.
Ich
schwöre stets den Glauben zu verkünden.
Ich
schwöre festen Kurs, trotz Serpentinen.
Ich
schwöre Blütenstaub statt Bauruinen.
Ich
schwöre eine Kommission zu gründen.
Ich
schwöre Amnestie bei unsern Sünden.
Ich
schwöre mir ist heut der Herr erschienen.
Ich
schwöre die Partei nie zu beklauen.
Ich
schwöre Perfektion, sogar beim Zechen.
Ich
schwöre zweiunddreißig Mal zu kauen.
Ich
schwöre! Das ist mehr als ein Versprechen.
Ich schwöre
feierlich: ihr könnt mir trauen.
Ich
schwöre jeden Eid für euch zu brechen.
Bin
ich Minister oder Haruspex,
dass
Du mich protegierst, auf dass ich schwitze?
Für
unsre Zukunft zucken keine Blitze
und
mein Talent taugt nicht zum Pontifex.
Du
hältst mein Bild in Ehren, ich befleck’s,
denn
mein Bild ist bewegt und deines Skizze.
Und
all Dein Lob küsst nur des Messers Spitze,
doch
Hunde küssen nicht, sei hündisch, leck’s!
Sei
hündisch, denn du streunst durch mein Revier.
Ich
heb das Bein an Sockeln und an Mauern
und
schlinge Opfergaben ohne Zier.
Und
will ich deines Geistes Kinder fressen,
wirf
sie mir hin – und wenn auch mit Bedauern.
Sei
Muse! Gönnerinnen sind vergessen.
Er unterhält mit kecken
Anekdoten
und glänzt weithin durch
Kenntnis der Geschichte.
Er isst am liebsten Mutterns
Hausgerichte
und trägt am Kragenhemd den
Kellnerknoten.
Die Zeitgenossen scheinen ihm
Chaoten,
mitunter heißt er sie auch
zärtlich Wichte.
Und ist sein Weltbild auch von
höchster Dichte,
der Gattung nach zählt er zur
stets bedrohten.
Teilt er die Bank mit andern
und die Sonne,
dann liest er Zeitung, um
nicht viel zu reden.
Das Nasebohren schafft ihm
Luft und Wonne.
Nur manchmal, wenn ihn lange
Nächte plagen,
dann fröstelt ihn, trotz
seiner schönsten Fehden.
Dann zittert er. Nur wem soll
er das sagen.
Gelobe
was zuviel erscheint zu streichen.
Und
lockt der Hunger dich, dann iss geschwind.
Hör
auf, wo jeder andere beginnt.
Erkläre,
wenn es schneller geht, durch Zeichen.
Sei
überall und immer zu erreichen.
Doch
grüßt ein Niemand dich, dann stell dich blind.
Den
Weg zum Klo bewältige im Sprint.
Und
sammle bloß im Keller keine Leichen!
Vor
allem: liebe, hasse, sei: platonisch.
Gib
nie zuviel, ob Zaster, Kraft, ob Zeit.
Um
alles in der Welt: bleib ja lakonisch.
Verspricht
es etwas, sei auch gerne komisch.
Verblüff
im Lotterbett durch Sachlichkeit.
Und
wenn du lieben musst, dann ökonomisch.
Er liebt mich, liebt mich
nicht – sie zählt die Daunen.
Die Decken drücken an den
falschen Stellen.
Sie hastet durch romantische
Novellen,
schläft nur noch nackt und
hätschelt ihre Launen.
Ihr Ohr berührt die Wand, es
hört nur Raunen.
Sie wacht im Bett, bis spät
bei leisem Schellen
des Nachbarn Seufzer ihr die
Nacht erhellen.
Dann stöhnt sie larmoyant und
träumt von Faunen.
Erwacht sie tags und sieht die
Wolken wallen,
wie alles draußen lockt und
liebt und lacht,
zieht sie die Fenster zu und
es wird Nacht.
Der Morgenmantel fällt, die
Stunden fallen.
Sie nippt am Wein, französisch
und gereift,
als ihre Hand wie Wind die
Hügel streift ...
(Geschrieben in weniger
als drei Viertelstunden, während ich auf den Freund wartete, der mir
vorgeschlagen hatte, mir die Zeit des Wartens durch das Schreiben eines Sonetts
zu verkürzen.)
In einer Stunde ein Sonett zu
schreiben,
mit Witzchen, mit Gewürz, mit
Hand und Fuß,
vielleicht noch mit paar
Takten Alltagsblues,
bei dem die Fräuleins sich die
Ohren reiben?
Bei dem im Hals die Happen
stecken bleiben?
Das scheint mir doch bloß
unnütz und abstrus,
nur eitles Verseschustern,
Dichterschmus,
Poetisch überspanntes
Faschingstreiben.
Allein der Zeitdruck macht
noch keinen Meister.
Und dem Genie peitscht düstrer
Spuk den Nacken,
wenn auch Bewunderung beseelt
die Geister.
So ist es Fingerübung,
Dichtung nicht,
drei Viertelstunden langes
Worte packen,
ganz ohne Anspruch, Intention,
Gewicht ...
Ein Künstler, unverbogen, mit
Gespür
für Zeitgeist – und schaut
seine schönen Locken!
Sein Werk: so tief und neu und
unerschrocken,
es ist gewiss kein Preis zu
groß dafür.
Applaus bricht los, der
Pflichtteil und die Kür,
der Laureat bleibt nun nicht
länger hocken,
die Stirne glänzt, sein Rachen
gobisch trocken,
er tappt zum Rednerpult und
sieht zur Tür.
„Juroren! Diese Ehre lässt
mich schwindeln!“
Vor Rührung steigt die Stimme
ins Falsett.
Das Lob ist ihm was einst
Dornröschen Spindeln.
Der Künstler balzt und dankt
getreu dem Kodex
und unter Beifall schwankt er
ins Parkett.
Dort senkt sich elegant sein
Ehrenpodex.
Die Bank liegt gut – die Damen
defilieren,
ob blond, ob rot, die glatten
wie die krausen.
Verlockung und Entzücken
alternieren
und über Blüten sieht man Dackel
sausen.
Es schwitzt auf seiner Bank,
im Duft von Flieder,
Assessor Griesgram, reichlich
angegraut,
linst nach der Damen
Dekolletee und Glieder.
Der Stadtpark ist ihm so wie
nichts vertraut.
Seit jeher lehrt die Bank der
Hast das Grausen.
Die Hummeln brummen, Kinder
schlabbern Brausen.
Und wenn die Sonne scheint
muss niemand frieren.
Hier konnte man des Nachts mit
Frauen schmausen,
sich gramgedrängt das lichte
Haupthaar zausen
und einst in aller Frühe
duellieren.
Ist er ein Schlemihl,
Schlingel, ein Schlawiner?
Ein Tunichtgut, Halunke oder
Lump,
der nix im Deez hat, säuft und
frisst auf Pump?
Vielleicht auch Zaster hat?
Ein Großverdiener?
Ist er ein Sachse, Schlesier,
ein Berliner?
Ein Knirps, ein Lulatsch?
Pfiffig oder tumb?
Ein Jesus, der die Wechsler
haut zu Klump?
Ein Priester, Ajatollah, ein
Rabbiner?
Was weiß denn ich! Der Kerl
macht mich ganz kirre!
Mein Denken ist ein
schlumisches Geschwirre.
Das Wort allein wird mir schon
bunt und blumig.
Glaub nicht, dass ich sein
Rätsel noch entwirre,
er führt mich doch nur pfiffig
in die Irre.
Pass auf! Am Ende bist du
selbst ein Schlumich ...
Ich liebe die urbanen
Abendstunden,
auf dem Balkon zu sitzen und
zu rauchen,
wenn Schwalben kreischend
kreisen, Käfer krauchen,
der Händler abschließt nach
dem letzten Kunden.
Wenn Türen klappen, Jogger
ihre Runden
um warme Lippen drehn, die
Schwüre hauchen.
Wenn Straßenbahnen rumpeln,
Autos fauchen,
wenn man flaniert, mit Hüten oder
Hunden.
Vorbei! Jetzt lauern Dealer an
den Ecken,
die Pitbulls kauen Köpfe oder
glotzen,
kaputte Mädchen wimmern nackt
in Hecken.
Man hört Gezänk und später
Schüsse knallen.
Die Penner pinkeln,
Cocktailkranke kotzen.
Ich rauch nicht mehr, die
Würfel sind gefallen.